von Mia
χαλαρά bedeutet „entspannt, ruhig“ – ein Wort, das die thessalonikische Art perfekt beschreibt.
Thessaloniki erwartet uns mit Hitze und Gewitter. Wir parken Bob auf einem schattigen Plätzchen in der Nähe unserer Airbnb-Wohnung. Dann werden wir von Magda unglaublich herzlich willkommen geheißen. Zwar ist gerade etwas Chaos, weil das Warmwasser nicht funktioniert und sie hektisch durch die Wohnung rennt. Trotzdem steht auf einmal ein Teller mit zwei lecker gefüllten Pfannkuchen vor uns. So wurden wir bisher noch nie empfangen!
Es tut uns beiden so gut, einmal aus der Sonne rauszukommen. Erst jetzt, wo wir in einer kühlen Wohnung frisch geduscht auf dem Bett liegen, merken wir, wie sehr es uns beide geschlaucht hat, 24 Stunden am Tag draußen zu sein. So sehr wir Bob lieben, bietet er leider nicht gerade viel Schutz vor Sonne und Hitze. Wir sind der Natur und ihren Gewalten ziemlich ausgeliefert, was neunzig Prozent der Zeit toll ist – schließlich wollten wir Sonne und Hitze. Doch gerade nach den letzten Wochen merken wir jetzt, dass es ganz schön anstrengend sein kann, ständig draußen zu leben. Der Drang der Menschheit, sich Höhlen zu suchen und Hütten zu bauen, wird immer verständlicher…
Aber natürlich hält es uns nicht lange in der Wohnung. Wir wollen schließlich auch was von Thessaloniki sehen! Also ziehen wir durch die Straßen und laufen uns mal wieder die Füße wund: Hafenpromenade, Altstadt, die alten Stadtmauern, der Berg – alles wird zu Fuß abgeklappert. Obwohl Thessaloniki die zweitgrößte Stadt Griechenlands ist, ist sie vergleichsweise klein (789.000 Einwohner im Großraum, 354.290 im Zentrum). Trotzdem verbreitet sie Großstadt-Flair. Die Art der Thessalonicher erinnert uns beide sehr an Split – auch ein Wasservolk, das das Leben und alle damit einhergehenden Eventualitäten entspannt auf sich zukommen lässt. Das meistgehörte Wort hier ist „χαλαρά – halara“, „entspann dich, relax“. Wir genießen es sehr.
Die Stadt selbst ist nicht unbedingt eine Perle. Nach einem Brand 1917 wurde der Großteil von Thessaloniki neu aufgebaut, weshalb viele Gebäude sich mit ihrem nicht-mehr-modernen Stil sehr ähnlich sehen. Nur auf dem Berg, der upper town, stehen noch alte Häuser und Gebäude aus römischer und osmanischer Zeit, was für Abwechslung im Straßenbild sorgt. In Downtown am Wasser wurde der alte Hafen zu einer Flaniermeile mit Cafés und Kunsträumen umfunktioniert. Wir wurden dort sowie an vielen anderen Orten sehr an Berlin erinnert. Im Gegensatz zum finanziellen Zentrum des Landes, Athen, ist Thessaloniki die Stadt der Künstler und Cafés. Hier würde der Berliner Slogan „arm, aber sexy“ auch gut passen…
Eine weitere Sache, die Berlin und Thessaloniki gemeinsam haben, sind unerfüllte Bauprojekte. Unser Flughafen ist deren Metro. Die ersten Bauarbeiten begannen bereits 1989, wurden aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wieder abgebrochen. Den damals entstandenen Rohbau gibt es immer noch und er muss nach wie vor mit Pumpen vor eindringendem Wasser geschützt werden – genutzt wird er nicht. Wie beim Berliner Flughafen auch begann der Neubau der Metro dann 2006 und seitdem zieren dicke Löcher die Stadt. Momentan liegt der wahrscheinliche Eröffnungstermin „zwischen Ende 2017 und Anfang 2018, spätestens 2020„. Vielleicht werden Flughafen und Metro ja gleichzeitig fertig sein…?
Ein Highlight unseres Besuchs ist die Pride Thessaloniki, die zufällig an diesem Wochenende stattfindet. Für den Samstag ist eine Parade durch die Stadt angekündigt, an der wir natürlich unbedingt teilnehmen wollen. Also stehen wir Samstagabend am Weißen Turm, dem ehemaligen Foltergefängnis, und werden von einer tanzenden, lachenden, bunten Masse an Menschen eingenommen. Die Parade besteht zwar nur aus vier Wagen, dafür ist aber ein riesige Menschenmenge versammelt. Vor allen Dingen die Teenager Thessalonikis stürzen sich auf dieses Event. Als Gegenprotestantin findet sich nur eine einsame Frau ein, die mit ihrer dreimal so großen Christenfahne wedelt und sich das Spektakel verkniffen anschaut. Sie kann einem irgendwie leid tun… Abgesehen von ihr gibt es nur ein paar Deppen, die irgendwann auf die Idee kommen, die Parade zu stören. Zum Glück ist die Polizei voll auf Seiten der Demonstranten.
Wir nutzen die Möglichkeit jedenfalls und tanzen uns die Seele aus dem Leib. Einmal quer durch die Stadt wird mit Techno und 80er Musik die Liebe gefeiert, sei sie nun homo-, hetero- oder whatever.
Abgesehen davon genießen wir die Zeit in der Wohnung und mit unseren tollen Gastgebern. Wir gehen zusammen essen an Thessalonikis „Malibu Beach“ und Magda nimmt mich mit zu ihrem Airial Yoga Training. So eine geile Sache! Wenn wir nach Berlin zurück kommen, muss ich unbedingt etwas in der Art machen! Ich finde es bewundernswert, wie viel Energie Magda hat: Sie studiert an einer Uni mit Anwesenheitspflicht, arbeitet aber trotzdem an 6 Tagen die Woche 8 Stunden bei „The Mongo“, einem asiatischen Restaurant. Dazu geht sie dreimal die Woche zum Sport und findet trotzdem noch Zeit, mit uns auszugehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Silas und ich dieses Pensum so nicht mehr durchhalten würden. Wir werden alt… 😉
Zum Schluss bleibt nur noch unser neuestes griechisches Wort (abgesehen von halarà): Papoudakia – ein nettes Wort für alte Leute.
Alexander – der Held meiner Jugendliteratur !
Hallo Mia, hallo Silas, beste Grüße an Euch Weltenbummler vom Steinhof!
Mit einem Anflug von Neid schauen wir auf Euer strapaziöses Lotterleben und hoffen, dass Ihr nach Eurer Rückkehr auch wieder in die Berliner Wertegemeinschaft eingegliedert werden könnt 🙂
So langsam entschwindet Ihr ja der Europascheibe und wir sind gespannt auf all das ferne Unbekannte. Schätzt Euch glücklich, appariert zu sein und genießt den Weg und die Zeit – unseren Segen habt Ihr! 🙂
Bei uns läuft alles wie immer,nur ist es dieses Jahr etwas schleppender als sonst.
Lasst es Euch gut gehen, esst genug Obst und fühlt Euch beobachtet 😉
Und immer schön auf die Vorfahrt achten!
Beste Grüße aus Kreuzberg
Andreas