Übers Schwarze Meer

von Mia

Weil wir faul ohne Ende sind, nehmen wir von Batumi nach Burgas in Bulgarien eine Fähre. Wir möchten uns und Bob die vielen Kilometer zurück ersparen.


Von Tbilisi fahren wir am Mittag los in Richtung Schwarzmeerküste, in Richtung Batumi. Die Landschaft um uns herum ist in ständiger Veränderung: von goldenen Stoppelfeldern, in deren Hintergrund die schneebedeckten Gipfel des Kaukasus thronen, über leichte Hügel rund um ein Flusstal zu tiefgrünen Bergpässen voller tropisch wirkender Pflanzen. Wir fahren durch von schwarzen Auspuffgasen verqualmte Tunnel (Silas: „Glaubst du, es brennt hier irgendwo, oder wo kommt der ganze Qualm her?“). Wir entkommen lebensmüden Georgiern bei verrückten Überholmanövern nur haarscharf und werden dann beinahe von einer Herde Kühe erledigt. Überhaupt sind an diesem Samstag eine Menge Tiere auf den Straßen unterwegs: Wir sehen unzählbare Kühe, Ziegen, Pferde, Hunde, Katzen und das ein oder andere Schwein.

In Koubuleti verbringen wir wieder zwei Nächte auf unserem 3€-Campingplatz. Unser türkischer Bekannter ist auch noch da und lädt uns zu Cay und Menemen ein.

Am Montag früh fahren wir nach Batumi, um uns um die Fährangelegenheiten zu kümmern. Soweit wir wissen, soll Bob als Fracht am Montag an Bord gebracht werden und wir als Passagiere dürfen am Dienstag, dem Abfahrtstag, an Bord gehen. Für die Nacht haben wir über Nutsa ein Appartment bekommen (Danke sehr!).

In der Mail der Fährgesellschaft steht, dass wir an Bord „cash to the captain“ bezahlen. Also machen wir uns auf den Weg zum Hafen, wo wir die Fähre auch schon sehen können. Doch reinlassen will uns ohne Ticket natürlich niemand. Der Security-Mann des Hafens zeigt uns ein Gebäude, in dem wir Tickets erwerben können.

Wir rufen zunächst einmal den Agenten der Fährgesellschaft in Batumi an. Seine Antwort auf unsere Fragen: „Ja ja, schaut am Nachmittag in meinem Büro vorbei.“ Da es erst 10 Uhr ist, haben wir also noch jede Menge Zeit, kümmern uns erst um die Wohnung, dann um das Geld für den Captain (das wir in Euro brauchen) und dann gehen wir einen Kaffee trinken.

Um 14 Uhr rufen wir den Agenten nochmals an. „Ja ja, ich rufe an, sobald ihr kommen könnt. Gerade geht es noch nicht.“

Also nutzen wir die restliche Zeit, um uns Batumi anzuschauen. Batumi sollte einmal das Las Vegas des Schwarzen Meeres werden. Es ist voller Casinos, hat eine jahrmarktähnliche Strandpromenade und leuchtet nachts in allen Neonfarben des Regenbogens. Moderne Gebäude in Wolkenkratzergröße konkurrieren mit den alten zweistöckigen Häusern, die tatsächlich ganz hübsch aussehen. Alte Männer mit Schnapsnasen teilen sich die Straßen mit Hipstern, die auch in Berlin gut ins Bild passen würden.

Um 17 Uhr wird uns das Warten doch zu lange und wir gehen beim Büro des Agenten vorbei. Daraus heraus windet sich eine Schlange Lkw-Fahrer, die mit ihren Papieren in den Händen und genervten Blicken warten. Wir stellen uns hinten an und warten mit ihnen in dem verrauchten Hauseingang. Nach einer halben Stunde werden wir alle rausgescheucht: Wir sollen nicht hier warten, das störe die Nachbarn und auch die Agenten bei der Arbeit. Die Frage ist nur: Wo dann? Erst einmal treffen sich alle draußen auf eine Zigarette. Dann stellen sich wieder alle im Hauseingang an …

Um 18:30 Uhr dann endlich: Personenkontakt! Silas wird eingelassen. Aber keiner fühlt sich so richtig zuständig. Unser Agent wirkt überfordert mit privaten Autos und weiß nicht so recht, was er mit uns machen soll. Dann gibt er uns eine georgische SIM-Karte und meint, er rufe uns darauf an, sobald wir das Schiff betreten können. Das sei morgen früh der Fall, er wisse nur nicht, wann genau. Also parken wir Bob am Büro und spazieren zu unserer Wohnung. Dann gehen wir in Batumi was essen und ein Bier trinken. Und schließlich schlafen wir tief und fest.

Da wir mittlerweile an georgische Verhältnisse gewöhnt sind (nur die wenigsten scheinen vor 10 Uhr zu arbeiten) und wir im Internet Gerüchte gelesen haben, dass die Fähre um 12 Uhr ablegt, gehen wir davon aus, dass wir vor 9 auf keinen Fall einen Anruf bekommen. Trotzdem ist der Wecker auf 7 Uhr gestellt, damit wir für den Fall der Fälle rechtzeitig wach sind.

Um 4 Uhr klingelt das Handy. Nach einiger Verwirrung geht Silas ran. „Come to office!“ Also machen wir uns schlaftrunken auf den Weg. Im Büro wird uns ein kleiner Zettel überreicht, mit dem wir den Hafen betreten dürfen. Damit machen wir uns auf den Weg zum Hafen. Ohne Probleme können wir erst in den Hafen und dann auf die Fähre fahren. Unsere Namen stehen tatsächlich auf der Passagierliste. Bob wird von einem Zollbeamten „kontrolliert“ – er macht einmal den Kofferraum auf (bisher hat erst ein Grenzbeamter in den Dachkoffer geschaut und noch keiner in die rote Werkzeugkiste).

Dann bekommt Bob ein nettes Plätzchen und wir werden äußerst freundlich in fließendem Englisch von der Dame an der Rezeption begrüßt. Wir bekommen das Vierbett-Zimmer Nummer 303 mit eigenem Bad. Vorher wurden wir gewarnt, dass es keine Garantie gebe, ein Zimmer allein zu bekommen. Wenn das Schiff voll ist, kriegen wir Mitbewohner. Doch wir haben Glück und nur zwei Handvoll Lkw-Fahrer fahren mit uns. Wir kriegen also ein Vierbett-Zimmer nur für uns zwei – und da schlafen wir erst einmal, denn es ist erst 5:30 Uhr georgische Zeit.

Um 8 Uhr bulgarischer Zeit gibt es Frühstück. Das Essen ist gut, herzhaft und wir treffen auf unsere Mitpassagiere. Ein Haufen hauptsächlich georgischer LKW-Fahrer, die schon zum Frühstück ihren hausgemachten Wein trinken (schließlich müssen sie ausnahmsweise mal nicht fahren). Wir werden ein wenig verwundert angeschaut, aber insbesondere mir gegenüber (einzige Frau auf dem Schiff) verhalten sich alle ausgenommen höflich. Nach dem Frühstück legen Silas und ich uns ganz faul wieder in unsere Kojen.

Um 10 Uhr werden wir für die Passkontrolle geweckt. Unter non-smoking-Schildern rauchende Grenzbeamte kontrollieren unsere Pässe und die Papiere für die Lkw-Frachten. Nach anderthalb Stunden wird endlich abgelegt! Warum wir unbedingt um 4 Uhr aufstehen und aufs Schiff kommen mussten, wenn wir doch eigentlich um 13 Uhr georgischer Zeit ablegen, konnte uns bis zum Schluss niemand so richtig erklären – aber Hauptsache, wir sind endlich unterwegs!

Unser erster Tag auf See ist ganz unserem Schlafnachhol-Bedürfnis gewidmet. Es gibt ein gutes Mittag- und ein solides Abendessen. Danach kaufen wir uns für 1 € Bier an der Schiffsbar und stellen uns an die Reling – wo wir prompt Delfine sehen! Danach bin ich natürlich kaum noch von der Reling weg zu bewegen, bis wir uns bei einbrechender Dunkelheit wieder in unsere Kojen kuscheln.

Als ich am nächsten Morgen auf Silas warte und aus unserem Bullauge schaue: Schon wieder Delfine! Sie schwimmen direkt neben dem Schiff und unter unserem Fenster, ein großer und ein noch sehr kleiner Delfin. Um sie herum springen noch ein paar andere aus dem Wasser. Über die nächsten zwei Tage hinweg werden wir immer wieder Delfine sehen, aber nie wieder so nah.

Am nächsten Abend werden wir offiziell in die Trucker Crew aufgenommen: Ein sehr dicker Mann kommt mit zwei Plastikbechern Wein aus seiner 5-Liter-Flasche herüber. Danach schenken mir alle möglichen Trucker ihre Schokoriegel (der Nachtisch des heutigen Abendessens), weil sie gesehen haben, wie genüsslich ich meinen verputzt habe. Auf Deck wird Silas dann zum Backgammon eingeladen – und zur Freude aller total fertig gemacht.

Nach 48 Stunden erreichen wir bereits den Hafen von Burgas. Nach einem stundenlangen Anlegemanöver, das alle an Deck verfolgen, können wir endlich an Land gehen. Die bürokratischen Formalitäten sind schnell erledigt und wir sind back in good old Europe!

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